Damit herzlich willkommen wieder zu einem Kekulés Corona-Kompass Hörerfragen-SPEZIAL nur mit Ihren Fragen. Und die Antworten kommen vom Virologen und Epidemiologen Professor Alexander Kekulé. Ich grüße Sie, Herr Kekulé.
Alexander Kekulé
Guten Tag, Herr Schumann.
Camillo Schumann
Frau M. hat angerufen und sie will mehr über den AstraZeneca-Impfstoff wissen. Und zwar was ganz Spezielles: „Und zwar interessiert mich dort insbesondere die Funktionsweise des Vektorimpfstoffes. So wie ich gelesen habe, wird ja ein Stück der DNA in einen Vektor gepflanzt und dieser wiederum über die Impfung in den menschlichen Körper gebracht. Wäre es theoretisch möglich, dass dieses Stück der DNA, das mir dort durch eine Impfung gegeben wird, in meine DNA eingebaut wird?“
Alexander Kekulé
Das ist ein verdammt heißes Eisen. Erstmal grundsätzlich: Dieser AstraZeneca Vektorimpfstoff, so ähnlich funktioniert aber auch der vom Gammaleja-Institut und von einem der beiden chinesischen Hersteller, das Prinzip ist, dass man ein Adenovirus hat. Das ist ein Virus, was harmlose Erkrankungen macht bei Menschen, die so erkältungsähnlich verlaufen. Und dass man da ein Stück rausschneidet aus dem Virus und stattdessen eine DNA einsetzt, also eine Erbinformation, die zu dem Adenovirus passt – dieses Adenovirus ist ein DNA-Virus, die also dann hinterher über den Umweg von messenger-RNA, wie hier richtig gesagt wurde, dann das S-Protein kodiert. Also quasi, da ist man einen Schritt vor dem, was diese RNAImpfstoffe machen.
Die RNA-Impfstoffe haben nur ein Stück RNA, aus dem direkt das Protein gemacht wird. Und in der normalen menschlichen Zelle oder auch tierischen Zelle ist es ja so, dass man Erbinformation im Kern hat, da sitzt die DNA drin – bei uns auf Chromosomen. In Chromosomen zusammengefasst. Wenn die Zelle gerne daraus ein Protein herstellen möchte, weil sie sagt: Ich brauche einen neuen Baustein, ich brauche ein neues Enzym, irgendwas wird gerade angefordert. Dann wird ganz selektiv ein Stück von dieser DNA kopiert und zwar erst mal RNA kopiert. Das ist, wenn man so will, quasi so ein Zwischenüberträger für diese Informationen.
Aus der RNA wird dann das Protein gemacht außerhalb des Zellkerns. Und wir haben bei den RNA-Impfstoffen, also Moderna und BioNTech haben wir die Situation, dass wir sagen, das ist eine RNA, die bleibt erst einmal im Zytoplasma, also außerhalb des Zellkerns. Und deshalb können wir, wenn wir es nicht ganz abstruse Theorien, mit in die Waagschale werfen, sagen, das ist ausgeschlossen, dass hier im Zellkern irgendwas verändert wird, also da, wo es zu genetischen Veränderungen kommen würde.
Bei den Adenoviren ist es etwas komplizierter. Die müssen, weil es DNA-Viren sind, auch wenn das dann letztlich nicht-vermehrungsfähige Viren sind, muss diese DNA im Prinzip erstmal im Zellkern landen, um in RNA umgeschrieben zu werden. Dann wird die RNA produziert, und der zweite Schritt ist dann wie bei den RNA-Impfstoffen. Sodass jetzt, das zielt auf die Frage der ganzen, sage ich mal Impfkritiker ab: Die sagen könnte dieser Impfstoff nicht irgendwie meine Erbinformation beeinflussen.
Und da muss man fairerweise sagen, es hat ja keinen Sinn, da hinterm Berg zu halten: Bei den DNA Impfstoffen ist es nicht zu hundert Prozent auszuschließen. Also, da ist es einfach so, die sind vom Mechanismus, so dass die in der Nähe der Chromosomen sozusagen tätig werden. Die müssen das auch machen, weil eben diese RNA sonst nicht hergestellt werden kann. Aus der ja dann wiederum das Protein gemacht wird mit dem man den Immunschutz erzeugen will. Und deshalb ist da, wenn man so will, ein zu zusätzliches Fragezeichen bei diesen Vektorimpfstoffen. Ich kann nur sagen, bisher hat es da – bei den Versuchen, die man gemacht hat – und da haben natürlich die Leute ganz genau hingeschaut schon in der Phase 2, wo diese Sachen vorgeprüft wurden, hat es da im Tierversuch überhaupt keine negativen Effekte gegeben. Selbstverständlich hat man zum Beispiel auch geguckt, ob jetzt bei trächtigen Tieren dann möglicherweise der Embryo verändert wird, weil das ist es ja besonders wichtig, dass also da nichts dazwischenkommt, wenn also die DNA kopiert wird, also die Zellen sich teilen. Und da hat man keinerlei Hinweise auf irgendwelche Störungen gefunden.
Aber man kann anders als bei den RNA-Impfstoffen sich nicht zurücklehnen und sagen, wir schließen das von vornherein aus.
Camillo Schumann
Also genau das wäre sozusagen die Frage nach den Konsequenzen. Die erste Frage nicht beantwortet, demzufolge kann auch die zweite Frage nach den Konsequenzen auch nicht beantwortet werden und schon gar nicht jetzt, sondern dann vielleicht in ein paar Jahrzehnten.
Alexander Kekulé
Ich will da überhaupt nicht Angst vor diesen Impfstoffen machen. Ich glaube, ich bin überzeugt, dass die Daten gut erhoben wurden und die Impfstoffe sicher sind. Aber wenn ich jetzt gerade an die Frage denke, die in Zukunft dann mal zu ventilieren sein wird: Was macht man den eigentlich mit den Jüngeren und den Kindern?
Wenn ich die Wahl hätte, sage ich mal ganz ehrlich bei meinen Kindern zwischen einem RNA-Impfstoff und einem DNA-Impfstoff, dann würde ich es prinzipiellen Gründen lieber den RNA-Impfstoff nehmen, weil einfach da prinzipiell solche Langzeiteffekte, die quasi über die Erbinformation vermittelt werden einfach rein theoretisch ausgeschlossen sind.
Und beides sind ja neue Wirkprinzipien. Diese Vektorimpfstoffe, die hat man mal – ja gegen Ebola gibt's zum Beispiel was und zwei andere exotische Anwendungen, wo man das schon mal gemacht hat – aber, das können Sie sich vorstellen, in diesem Rahmen ist jetzt nicht millionenfach geimpft worden oder gar milliardenfach geimpft worden. Ich glaube, es wird auch eine Diskussion in Deutschland geben, weil natürlich, das ist eine Information, die kein Geheimnis ist, was ich jetzt gesagt habe.
Und da werden sich sicherlich im Lauf der Zeit die Kritiker draufstürzen. Und deshalb habe ich ein bisschen die Befürchtung, dass einfach diese Vektorimpfstoffe – nachdem auch der Start so ein bisschen misslungen ist bei AstraZeneca jetzt – ich glaube das es wird die Diskussion geben, ob die in Deutschland überhaupt einen sinnvollen Einsatz haben. Weil die Leute natürlich immer sagen werden: Ich nehme lieber das mit weniger Nebenwirkungen, längerer klinischer Erprobung, mehr bisher stattgehabten Verimpfungen weltweit – die sind ja weit vorne von der Zahl der Impfungen, wo man auch die Nebenwirkungen sieht oder nicht vorhandenen – und dann am Schluss das geringere Restrisiko bezüglich der DNA und natürlich auch der 95 % Wirksamkeit. Wir sind ja in Deutschland so Optimierer. Und deshalb glaube ich nicht, dass sozusagen der zweitbeste Impfstoff hier eine ernste Chance hat.
Camillo Schumann
Aber interessant ist ja trotzdem, das Spin von den Coronakritikern, dass die mRNA-Impfstoffe unserer DNA verändern sollen und zu einem der Vektorimpfstoff spielt dabei überhaupt keine Rolle. Könen Sie sich das erklären?
Alexander Kekulé
Das RNA ist sowas, was Leute, die jetzt biologisch so ein bisschen weit weg von der Praxis sind sagen. Ich muss zugeben, es gibt sogar tatsächlich amerikanische Wissenschaftler, die da ein bisschen Öl ins Feuer geschmissen oder nur die Lunte angezündet haben. Es ist nämlich so, es gibt ja – ich will das ruhig auch erzählen, wie die so denken – es gibt ein Enzym, das ist die Reverse Transkriptase, das ist ein Enzym, das kann ein biologisches Wunder machen: nämlich die RNA rückwärts umschreiben in DNA.
Normalerweise wird aus RNA DNA gemacht, das RNA-Protein. Aber es gibt dieses exotische Enzym, das aus einer RNA wieder eine DNA macht. Und zwar, darum heißt es Reverse Transkriptase. Übrigens 1980 gab es den Nobelpreis, den Baltimore und Temin gekriegt haben, ganz tolle Sache.
Und wo gibt es dieses? Natürlich mal wieder in Viren, aber in ganz anderen Viren, die heißen deshalb auch Retro-Viren, weil die den Rückwärtsgang einschalten können bei der Genetik. Das haben wir so ähnlich bei der HIV-Infektion. Da ist es so, wenn jemand mit dem HIV-Virus dem Aidsvirus infiziert ist, dann stellt quasi dieses Virus, das hat ein RNA-Genom, das stellt davon eben im Rückwärtsgang eine DNA-Kopie her, mithilfe dieser Reverse Transkriptase. Und diese DNA-Kopie, die klinkt sich dann quasi ein in das Genom des Wirts, in die weißen Blutzellen des Menschen. Und von dort aus ist es für das Virus praktisch, der Wirt wird es nicht mehr so leicht los. Und es kann bei Bedarf dann wieder RNA und daraus Viren herstellen.
Jetzt ist es so, dass HIV, das Aidsvirus ist nicht der einzige Erreger, der so etwas kann. Es gibt viele solche Retroviren. Und wir wissen, dass in unserer biologischen Geschichte, in der Evolution, immer mal wieder andere Retroviren sich eingeklinkt haben und von denen sehen wir Spuren in unserer Erbinformation, auch wenn wir unser Leben lang nie eine HIV-Infektion hinter uns gebracht haben oder eine Infektion mit einem anderen Retrovirus. Und deshalb sagen jetzt diese Kritiker, die diesen Teufel an die Wand malen, es könnte ja sein, dass manche Menschen von so einem Retrovirus-Rest, den sie ja genetisch dabeihaben, auch eine Reverse Transkriptase-Funktion mit drin haben. Und die könnte dann blöderweise aktiviert werden. Und dann könnten diese Ausnahme Personen durch die Aktivierung der Reverse Transkriptase in der Lage sein, einen RNA-Impfstoff, der schließt sich dann der Kreis, gegen Covid-19, umschreiben in DNA. Und dann integrieren ins Genom und dann, Bingo, hätte man auch durch eine RNA-Impfung auch eine Veränderung des Genoms.
Das ist eine extrem abwegige Schlussfolgerung, weil wir sehen ja de facto bei den humanen Zellen, wie auch bei allen anderen tierischen Zellen, praktisch nie so eine Aktivierung von Reverse Transkriptase-Genen, die irgendwo versteckt werden. Es gibt einige akademische Ausnahmen. Aber im Praktischen wäre das eine große Ausnahme, 1:10.000 oder 1:100.000, wo so etwas überhaupt möglich wäre. Aber darauf kaprizieren diese Gegner, die sagen, mit der Reversen Transkriptase, die möglicherweise noch da sind und aktiviert werden könnte, könne möglicherweise die RNA in die DNA integriert werden und dann wäre es eine genetische Veränderung.
Camillo Schumann
Da ist ein Lottogewinn wahrscheinlicher, oder?
Alexander Kekulé
Das ist für mich ein völlig vernachlässigbares Risiko. Vor allem, selbst wenn es dann am Schluss wäre, dann wäre am Ende ein Stück Müll-DNA in unserem Chromosom drin. Und bei denjenigen, bei dem die Biologie in der Schule noch nicht so lange her ist, da lernt man ja jetzt schon, dass unser ganzes Erbgut, das menschliche Erbgut, das besteht ja hauptsächlich aus Müll. Ich weiß die Zahl nicht mehr auswendig. Aber 95 % sind es sicherlich. Es sind irgendwelche Gensequenzen, die in der Praxis keine Bedeutung haben, die wir somit schleppen aus ganz verschiedenen Gründen. Da kann man ganze Vorlesungen drüber halten. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass ein irgendwie aus Versehen herein geschobenes RNA-Stück aus einem RNA-Impfstoff am Ende des Tages einen Effekt hätte. Aber ja, die Leute, die diese Minimalrisiken im Auge haben, die behaupten dann, das sei eine Gefahr für die Menschheit.